Fernweh
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Atacama-Wüste in Chile: unwirtlich, bizzar, wunderschön

Mein schönstes Naturerlebnis auf Reisen. Danke für den Anstoß an Sabine von ReiseSpatz. Denn auf diesem inspirierenden Reiseblog läuft gerade die Blogparade zu obigem Thema und hierfür nehme ich jetzt endlich Anlauf, meine Rubrik “Fernweh” in Angriff zu nehmen. Denn zu diesem Thema ist auf meinem Blog noch nicht allzu viel los.

Sofort machen sich meine Gedanken selbstständig. Mein schönstes Naturerlebnis. Da fallen mir so einige ein: Sonnenuntergang an der Ostsee (Achtung: Suchtpotential!), Paddeln auf der morgendlichen Enz, Wandern auf der Schwäbischen Alb oder doch lieber etwas abenteuerlicher: Blutegel im Regenwald Malaysias, tief verschneite Stille auf der kanadischen Gaspésie-Halbinsel, Begegnung mit einer Muräne in der Karibik (nun, das war zwar aufregend aber nicht wirklich schön, denn in gewissen Lebenslagen bin ich doch etwas ängstlich veranlagt), Tempelbesteigung im mexikanischen Dschungel?

Chile

Nein, nachhaltig am stärksten beeindruckt hat mich Chile, dieses langgestreckte Land der Vulkane zwischen Anden und wilder Pazifikküste. Im Norden Wüste, im Süden Feuerland, in der Mitte fruchtbare Felder. Innerhalb der 4.000 km Länge dürften nahezu alle Klimazonen abgedeckt sein. In Chile gibt es noch unberührte Natur zu entdecken, Seen ohne Ende, Urwälder mit mächtigen Araucarien, den heiligen Bäumen der Mapuches (Ureinwohner im Süden Chiles), nicht zu vergessen die Gletscher. Flecken, die kein oder selten ein Mensch betreten hat, unendliche und stille Weite. Auch das hat mich stark beeindruckt: Dieses Alleinsein-Können mit und in der Natur.

Ich krame meine Kiste mit den Urlaubsreisetagebüchern, Mitbringseln und Fotos hervor und verbuddele mich erst mal eine Weile in meinen Erinnerungen. Ja, es ist schon eine Weile her, dass ich durch Chile zog. Als Studentin schrieb ich meine Diplomarbeit im Süden Chiles. Ich näherte mich damals meinem Endziel Valdivia, von Buenos Aires aus startend, gemütlich erkundend per Bus und Anhalter. Ich hatte das Glück, liebe Menschen kennenzulernen, die mir geduldig ihre Heimat, Kultur und Sprache näher brachten. Eine Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Ich verweilte damals 6 Monate in Chile und kehrte später 2mal wieder, um alte Freunde und neu gewonnene “Familie” zu besuchen.

Atacama-Wüste

Rundblick

Aber nun genug geschwafelt: Am eindrucksvollsten, weil für mich komplett unbekanntes Terrain, war die Atacama-Wüste, die trockenste Wüste der Welt. Hier regnet es im Schnitt nur alle 50 Jahre. Zum ersten Mal war ich 1996 da (Juchhu, Jubiläum. Es ist sage und schreibe 20 Jahre her). San Pedro de Atacama war damals noch ein verschlafenes, cooles Backpaper-Nest, Basis für Ausflüge in die Wüste. Man kam nur mit dem Bus dorthin. Von San Lorenzo im Nordwesten Argentiniens fuhren wir quer über die Anden. Anfänglich noch recht spannend, zog sich die Fahrt im heißen Bus hin wie Kaugummi. Endlich angekommen in der Wüstenoase, folgte ein Kulturschock. Nach 12 Stunden nur Berge und Einöde, war ein Ansturm von Hippie Happiness für mich irgendwie nicht zu verkraften. Wer rechnet schon mitten in der Wüste, in einem 1000-Seelen-Dorf weitab der Zivilisation damit, dass die Hälfte der Einwohner Abenteurer oder Hängengebliebene aus der ganzen Welt sind?

Aber San Pedro hatte durchaus sein eigenes Flair. Staubige Sandstraßen und Lehmhäuser ließen auf den ersten Blick nicht viel Interessantes erahnen. Doch schaute man durch die Türen und Fenster der Hauptstraße, dann reihten sich kleine Reisebüros, Restaurants und Cafes aneinander. Gerade die Kneipen mit Feuerstelle und Strohdach luden dazu ein, den ganzen Tag darin zu verbringen. “Szenecafes” hätte man in der Wüste am wenigsten erwartet und schienen auch irgendwie nicht hierher zu passen. Nichtsdestotrotz liebten wir die offene und relaxte Atmosphäre sehr :-).

2002 dann das Sabbatical, davon 7 Wochen in Chile und Argentinien. Ich wollte wieder in die Atacama-Wüste, unbedingt. Oh Schreck, San Pedro de Atacama hatte sich verändert. Auch in Chile war die Zeit nicht stehengeblieben. Es gab jetzt sogar ein Hotel mit Swimmingpool, mitten in der Wüste. Unser Residencial dagegen kostete ca. 11 USD die Nacht. Recht einfach, mit Duschen und Toiletten im Hof, aber sehr gemütlich. Auch Touren in die Wüste waren jetzt leichter zu organisieren.

Unser erster Ausflug führt uns zum Valle de la Luna (Tal des Mondes). Die Atacama-Wüste ist eigentlich eine Steinwüste, aber im Valle de la Luna gibt es eine der wenigen Sanddünen. Wir klettern auf die größte Düne und bewundern den Sonnenuntergang. Der Blick auf die bizzaren Steinformationen ist atemberaubend. Fast alleine (von unserem Führer und 2 weiteren Touris mal abgesehen), mit der Wüste auf Du und Du.

Am nächsten Tag geht es mit dem Jeep über Stock und Stein zu den Lagunas Altiplanicas (Lagunen der Hochebene). Türkisblaues Wasser auf 4000 m Höhe vor schneebedeckten Vulkanen, deren bilderbuchreife Gipfel 6.000 m in den Himmel ragen und im Licht der Sonne rot leuchten, während das Gebüsch am Fuße gelb schimmert. Alles sieht so unwirklich aus, wie im Film. In der Ferne entdecken wir Vicunjas, die wildlebenden Brüder der Lamas. Im Salar de Atacama beobachten wir Flamingos, die sich an den Salzseen laben. Unfassbar schön diese Farben, diese Weite.

Die Nacht ist kurz, denn tags drauf stehen wir Punkt 4 Uhr in der Früh auf der Straße, um zum Geysir El Tatio aufzubrechen. Nach Fahrt über Stock und Stein sind wir gegen 7 Uhr an den Geysiren. Gerade noch rechtzeitig bevor die Sonne aufgeht und die über Nacht gefrorenen Geysire zum Leben erweckt. Dampffontänen steigen auf, überall brodelt und zischt es. Strenger Schwefelgeruch steigt uns in die Nase. Die Temperatur liegt um den Gefrierpunkt. Brrr, es ist bitterkalt, bis uns dann glücklicherweise die Morgensonne einfängt. Zum Frühstückspicknick kochen wir Eier, Wasser und Milch im heißen Geysirwasser. Echt irre. Im Piscina termal (Natur-Thermalbecken) nehmen wir ein warmes Fußbad. Wir könnten auch komplett reinhüpfen, doch erscheinen uns 27 °C Wassertemperatur bei den immer noch kühlen Außentemperaturen etwas zu frisch. Auf der Rücktour verfolgen wir einen Wüstenhasen. Die Vizcachas hüpfen mit ihren langen Schwänzen auf den Felsbrocken herum. Aus der Ferne wirken sie mit ihren riesigen Hinterbeinen fast wie Kängurus.

Während ich das hier so schreibe, stelle ich fest: Ich höre ihn, den Ruf der Ferne! Ich sollte wohl mal wieder mein Ränzchen schnüren, Kind und Kegel packen und mein Fernweh stillen. Aber ob „mein“ Chile wohl den Erinnerungen standhält???

Was mich zwangsläufig zu der Frage führt, wieviel Verantwortung wir für unser Reisen haben bzw. übernehmen müssen. Jedes Mal, wenn wir einen tollen Flecken entdecken und beeindruckt von dessen Unberührtheit sind, sollten wir eigentlich still schweigen, statt davon zu schwärmen und zu teilen. Denn das zieht Follower (um im Neudeutschen zu bleiben 😉 nach sich und aus dem unberührten Flecken wird schlimmstenfalls über kurz oder lang ein Wallfahrtsort und Müllkippe der Zivilisation, alles schon tausendfach passiert. Also doch hierbleiben? Der Trend geht ja zu Urlaub daheim (siehe mein Blogbeitrag: Hiergeblieben: Urlaub in Mecklenburg-Vorpommern). Wie seht Ihr das?

Bilder: © flecken necken

 

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